
Das Internet und das Metaverse | Teil 2
16. März 2022 Veröffentlicht von Jana GreylingSeit Herbst 2021 ist das Metaverse, zu Deutsch manchmal auch Metaversum, in aller Munde. Worum geht es dabei eigentlich genau? Das wollen wir in diesem Blogbeitrag näher untersuchen. Warum sich jetzt schon damit beschäftigen? Weil das „Metaverse eine verblüffend realistische digitale 3D-Welt verspricht, in der man Waren und Dienstleistungen kaufen und verkaufen, Verträge abschließen und durchsetzen, Talente anwerben und ausbilden und mit Kunden und Gemeinschaften interagieren kann,“ schreibt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC über das Metaverse im Businessbereich. Noch gibt es diese Zukunftswelt nicht, und es kann noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis es funktioniert, „aber wenn es sich entwickelt, hat es das Potenzial, fast alles im menschlichen Leben zu verändern”, sagte der Investment-Experte Simon Powell.
Das Metaversum ist Teil der nächsten Iteration des Internets, die manche als Web 3.0 bezeichnen, und es verspricht, alles, was wir kennen, auf den Kopf zu stellen. In den nächsten Jahren werden wir alle in diesem allumfassenden Ökosystem arbeiten, spielen, Kontakte knüpfen und investieren, sei es, dass wir an einer Fachkonferenz in einem virtuellen Four Seasons Hotel teilnehmen, eine neue Designer-Handtasche für unseren digitalen Avatar kaufen oder mit Spider-Man durch die Skyline von New York City schwingen.
Doch bei aller Euphorie der Metaversianer, muss man berücksichtigen, dass das Metaverse eine Infrastruktur erfordert, die derzeit nicht existiert. Das Internet wurde nicht für das Metaverse entwickelt, sondern um Dateien von einem Computer auf einen anderen zu übertragen. Infolgedessen sind die meisten der dem Internet zugrunde liegenden Systeme darauf ausgerichtet, dass ein Server mit einem anderen Server oder einem Endbenutzergerät kommuniziert. Dieses Modell setzt sich bis heute fort. Es gibt zum Beispiel Milliarden von Menschen auf dem heutigen Facebook, aber jeder Benutzer teilt eine individuelle Verbindung mit dem Facebook-Server, nicht mit irgendeinem anderen Benutzer und das Ganze auch nicht in 3D, sondern schlicht und einfach in 2D. Das Internet wurde nicht für eine dauerhafte Kommunikation entwickelt, ganz zu schweigen von dauerhafter Kommunikation, die in präziser Echtzeit mit unzähligen anderen synchronisiert wird.
Das Starterpaket für das Metaverse?
Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. In der Regel mit einer VR-Brille und klar Facebook, als Hersteller von Oculus-Headsets präferiert nicht ganz uneigennützig, seine VR-Brillen, um in das Metaverse einzusteigen. Und so ganz nebenbei arbeitet das Unternehmen auch an einem speziellen VR-Handschuh, um den Einstieg ins Metaverse irgendwann besonders realistisch erlebbar werden zu lassen. Zuckerberg postete bereits letztes Jahr ein Video in seinem Facebook-Feed, in dem er die Handschuhe vorstellt. Das Video zeigt ihn bei der Interaktion mit einem Stapel Jenga-Blöcken, beim Würfeln und Schachspielen. In einer Erklärung von Facebook heißt es, man baue den weltweit ersten Hochgeschwindigkeits-Mikrofluidik-Prozessor – einen Chip, der in einem speziellen Handschuh eingesetzt werden soll.
Dabei steht der Tastsinn der User im Fokus. Bereits seit mehreren Jahren arbeitet das Unternehmen laut eigenen Angaben an einem Handschuh für die virtuelle Realität. Sensoren am Handschuh vermitteln dem Träger dabei Druck, Textur und Vibration, um das Gefühl des Anfassens virtueller Objekte so real wie möglich darzustellen. In den Handschuhen selbst ist jede Menge Hydraulik und Pneumatik verbaut, mit der Meta aktuell zu kämpfen hat, denn noch ist der Handschuh zu komplex. Wenn er fertig konzipiert ist, soll er leicht sein und sich der Beschaffenheit der Hand anpassen.
Allein in diesem Jahr hat Meta zehn Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung ausgegeben und laut Mark Zuckerberg sollen die Investitionen in den folgenden Jahren weiter steigen. Rund 10.000 Fachkräfte arbeiten bei Reality Labs, Metas VR- und AR-Abteilung. Weitere 10.000 will Meta in den nächsten fünf Jahren in Europa anheuern. Diese Zahlen zeigen, wie ernst es Meta mit dem Metaverse ist.
Und wie sieht es bei Microsoft aus? Microsofts Pläne für ein Office im virtuellen Raum hatte der Hersteller bereits im März 2021 mit seiner Plattform Microsoft Mesh angekündigt. Wie t3n berichtet, war diese im Grunde ein erster Baustein für den Einstieg ins Metaverse. Auch wenn damals der von Meta und Mark Zuckerberg gesetzte Begriff nicht genutzt wurde.
Microsoft´s Holoportation und 3D-Avatare
„Microsoft Mesh ist quasi Microsofts eigene Interpretation des Metaverse, die noch breiter als Metas verstanden wird: Denn auf der Mesh-Plattform können Nutzer:innen als Hologramme auftreten, die im dreidimensionalen virtuellen Raum miteinander interagieren können. Microsoft nennt diese Lösung Holoportation und macht aus seinem Jahre alten Konzept Realität. Denkbare Anwendungsfelder seien etwa das Büroumfeld, aber auch Messen oder Besprechungen. Die Nutzererfahrung soll am Ende so gestaltet sein, als würde man sich in einem real anfühlenden Raum aufhalten und interagieren.“ Was fehlt sind die Avatare für das Metaversum. Sie sind im Metaversum Ausdruck der Identität. Geht es nach Microsoft, so sollen bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 3D-Avatare in MS Teams möglich sein, ohne dabei eine VR-Brille tragen zu müssen. „So wird vor dem Meeting abgefragt, ob man die Kamera aktivieren will oder als Avatar teilnehmen möchte. Es wird zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten geben, damit auch die 3D-Figur passend gekleidet ist. Hintergründe können ja bereits jetzt angepasst werden – das wird natürlich auch bei den Avataren möglich sein. Mundbewegungen werden möglichst realistisch vom Nutzer übernommen, indem eine künstliche Intelligenz aus den Audioaufnahmen Animationen generiert. Via Knopfdruck wird man auch diverse Gesten, etwa das Heben einer Hand, auslösen können.“
„Die Herangehensweise von Microsoft an das Metaverse unterscheidet sich von ähnlichen Projekten vor allem darin, dass für uns die Erfahrung für den Nutzer im Mittelpunkt steht,” so Katie Kelly, Product-Managerin bei Microsoft, gegenüber “The Verge”. Man sei sehr darauf bedacht, dass menschliche Mimik und Gestik möglichst realistisch ins Metaverse übernommen werden können, um sich wirklich unter Menschen zu fühlen, auch wenn sich nur 3D-Avatare gegenüberstehen. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern bis es soweit ist.
Web 3.0, das Metaverse und das große Geld
Für Grayscale Research ist das Metaverse das eigentliche Web 3. In einem aktuellen Papier beziffern sie das Umsatzpotenzial virtueller Welten auf eine Billion US-Dollar. „Das Metaverse ist ein digitales Universum, das über das Internet, wie wir es heute kennen, hinausgeht. Diese Vision für den zukünftigen Zustand des Webs hat das Potenzial, unsere sozialen Interaktionen, den Geschäftsverkehr und die Internetwirtschaft im Allgemeinen zu verändern. Das Metaverse ist noch im Entstehen begriffen, aber die Kryptonetzwerke der offenen virtuellen Welt des Web 3.0 bieten einen Ausblick auf die Zukunft des Internets. Die Marktchance, das Metaverse zum Leben zu erwecken, könnte einen Jahresumsatz von mehr als 1 Billion Dollar erzielen und mit Web 2.0-Unternehmen konkurrieren, die heute einen Marktwert von etwa 15 Billionen Dollar haben. Dieses Potenzial hat Unternehmen wie Facebook dazu veranlasst, sich dem Metaverse zuzuwenden, was als Katalysator für andere Web 2.0-Technologieriesen und Investoren dienen könnte.”
Bereits heute existieren virtuelle Welten und Erlebnisse, die zumindest in Teilen dem von Matthew Ball beschriebenen Ideal entsprechen, wie die «New York Times» jüngst darlegte. Ein Beispiel ist die virtuelle Welt Decentraland in einer auf der Blockchain gebauten Umgebung mit eigener Währung. Die Bewohner der Welt können dort über Verträge auf der Blockchain virtuelle Grundstücke erstellen und handeln – im März dieses Jahres lagen die Preise bei mehreren tausend Dollar – und darauf dann Erlebnisse wie Konzerte oder Kunstaustellungen kreieren. Es gibt ein Kasino mit Croupiers, die für ihre Arbeit in virtueller Währung bezahlt werden, und das Auktionshaus Sothebys hat auf einer Parzelle einen Nachbau seiner Galerie in London erstellt. „Auf der Videospiel-Plattform Roblox verbrachten Nutzer im ersten Quartal 2021 knapp zehn Milliarden Stunden. Mehr als 42 Millionen Spieler loggten sich in dieser Zeitspanne täglich ein und tätigten Käufe im Gegenwert von 652 Millionen Dollar in der Plattform-Währung Robux. Diese kann für Hüte, Waffen und andere digitale Objekte ausgegeben werden, um den eigenen virtuellen Charakter damit auszurüsten. Im Mai wurde eine digitale Gucci-Tasche für mehr als 4100 Dollar verkauft – mehr, als die Tasche in der physischen Welt kostet,“ schreibt die Züricher Zeitung.
Die bekanntesten Beispiele für geschäftliche Aktivitäten im Metaverse sind heute:
- Kunstgalerien wie Sotheby’s ermöglichen es Eigentümern, ihre digitale NFT-Kunst bei einer Auktion auszustellen und zu verkaufen;
- Unternehmen haben im Metaverse eine digitale Zentrale eingerichtet, die es ihren Mitarbeitern ermöglicht, sich zu treffen und zusammenzuarbeiten;
- digitale Billboards (Werbung) im Metaverse;
- Konzertsäle im Metaverse-Gebiet, in denen DJs und Musiker Musik machen und Konzerte organisieren.
Auch der Analyst Mathew Ball erwartet, dass das Metaverse noch mehr Umsatz generieren wird, als es das Web heute schon tut. „Der Wert, ein wichtiger Teilnehmer, wenn nicht sogar eine treibende Kraft, eines solchen Systems zu sein, liegt auf der Hand – es gibt heute keinen ‚Besitzer‘ des Internets, aber fast alle führenden Internet-Unternehmen gehören zu den 10 wertvollsten Aktiengesellschaften der Welt.“
Die schöne Seite der Zukunft
Stellen Sie sich die absolut beste Version des Metaversums vor, die mit Höchstleistung arbeitet: Das sind Milliarden von Benutzern, die VR- und AR-Prinzipien verwenden, um einzukaufen, zu arbeiten, sich weiterzubilden, sich zu unterhalten und zu interagieren, und das alles bequem von zu Hause aus. Jeremy Bailenson, Gründungsdirektor des Virtual Human Interaction Lab der Stanford University und Autor von Experience on Demand: What Virtual Reality Is, How It Works, and What It Can Do , erklärt es so: „Die Metaverse besteht in einfachen Worten aus Menschen, Orten und Dinge.”
„Menschen“, wie Bailenson sie definiert, sind digitale Avatare, die echten Menschen ähneln, bis hin zu ihren Körperbewegungen. „Orte“ sind virtuelle Szenen, die existieren, auch wenn niemand da ist. „‚Dinge‘ sind 3D-Modelle von Objekten, die dazu bestimmt sind, Marktwert zu schaffen,“ so Bailenson. Das Metaverse setzt eine Welle neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten für Menschen auf der ganzen Welt frei.
Die „Creator Economy“ wächst und wird künftig Arbeitsplätze im Metaverse schaffen: Die Creator werden Werte schaffen, die physische und digitale Welt verbinden. Künstler:innen werden Echtzeit-Inhalte kreieren. Teilnehmende werden die neue Welt kennenlernen, erforschen und verbessern. Architekt:innen werden Erfahrungen konzipieren und gestalten. Die Community wird dazu beitragen, sie wird Aufmerksamkeit generieren und interagieren.
Bis 2026 werden 25 % der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen, um dort zu arbeiten, einzukaufen, sich weiterzubilden, Kontakte zu knüpfen oder einfach nur zur Unterhaltung – das jedenfalls behaupten die Experten des Research- und Beratungsunternehmens Gartner.
„Anbieter entwickeln bereits jetzt Möglichkeiten, mit denen die Nutzer ihr Leben in digitalen Welten nachbilden können“, sagt Marty Resnick, Research Vice President bei Gartner. „Der Besuch virtueller Klassenzimmer, der Kauf digitaler Grundstücke oder der Bau virtueller Häuser werden derzeit in separaten Umgebungen durchgeführt. In Zukunft werden sie in einer einzigen Umgebung stattfinden – dem Metaverse – mit unterschiedlichen Zielen über verschiedene Technologien und Erlebnisse hinweg.“
Icelandverse ist bereits real
Wer so lange nicht warten will, der kann das Metaversum schon heute erleben. Wie sich das anfühlt und wo das ist, zeigt auf YouTube das Video „Icelandverse“. Eine isländische Tourismus-Organisation hat den Zukunftsclip veröffentlicht, in dem Meta-CEO Mark Zuckerberg und dessen Metaverse mal ganz anders interpretiert wird. Ganz ohne VR-Headset und VR-Gloves.
Video-Quellen auf YouTube:
The Metaverse and How We’ll Build It Together — Connect 2021
2 Kommentare
Wie spannend ist das Metaverse jetzt noch? Es ist ziemlich ruhig um das Thema geworden. Ich bin gespannt wie Meta, damit langfristig umgeht.
Das sind wir alle 🙂
VG, ^RD