Dune: Erst durch das Design bekommt ein Produkt eine Seele
16. Juli 2014 Veröffentlicht von Jana GreylingDas neue Gigaset Dune trifft den Nerv der Zeit. Absatzzahlen, Rezensionen und die stetig steigende Nachfrage nach dem – von der Natur inspirierten – Designtelefon belegen dies. Was also macht das Dune so erfolgreich, so besonders, so anders? Raphael Dörr, Pressesprecher der Gigaset AG ist dieser Frage nachgegangen. Im Gespräch mit Peter Kolin, Director Design Management bei Gigaset, geht es um das Thema Design, den Arbeitsalltag eines Produktdesigners, aktuelle Trends und warum Dune so erfolgreich ist.
Raphael Dörr: Herr Kolin, welche Eigenschaften muss ein guter Produktdesigner Ihrer Meinung nach mitbringen?
Peter Kolin: Ich glaube, ein guter Produktdesigner braucht eine ausgeglichene Balance zwischen künstlerischer und technischer Begabung sowie soziokulturellem Verständnis. Letzteres ist wichtig, um Kundenbedürfnisse zu verstehen und umsetzen zu können. Die Einführung eines neuen Produkts wird normalerweise sehr von Technik und Vermarktung getrieben. Unsere Kunden haben jedoch das Bedürfnis nach Vereinfachung, das befriedigt werden sollte. Ein Produkt kann nur auf Dauer begeistern, wenn es Kundenwünsche berücksichtigt. Für mich ist diese Herausforderung genau das Spannende an unserer Arbeit.
Raphael Dörr: Wie sind Sie Produktdesigner bei Gigaset geworden?
Peter Kolin: Meine Begeisterung für Ästhetik und Design habe ich schon in jungen Jahren entdeckt, als ich noch damit beschäftigt war, meine Mopeds zu frisieren. Standard war mir nie gut genug, es musste immer schöner und effizienter sein. Deshalb habe ich mich dann auch für ein Designstudium entschieden. Im Anschluss besuchte ich Designmetropolen wie London und San Francisco. Dort war ich zum Beispiel im Silicon Valley, wo ich viele Erfahrungen in der Unterhaltungselektronik sammeln konnte. Die letzten zehn Jahre habe ich für eine Designagentur gearbeitet, bei der ich viele Designs für Gigaset entworfen habe. 2011 habe ich vom Dienstleister direkt zu Gigaset gewechselt.
Raphael Dörr: Wo finden Sie Inspiration für neue Designs?
Peter Kolin: Inspiration bedeutet, dass man mit offenen Augen durchs Leben geht. Ich genieße die menschliche Existenz bewusst als Symbiose zwischen natürlichen und kulturellen Elementen. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen finde ich meine Inspiration. Die Natur verkörpert für mich die vollendete Schönheit mit perfekten Formen und Funktionen. Damit ist für mich der liebe Gott der größte Designer! Und Kultur hat schon immer versucht, Dinge intelligenter und sensitiver zu machen. So finde ich zum Beispiel in der Welt der Designmessen, im Automobildesign oder der Kunst neue Eindrücke, die mich bewegen. Die Transferübertragung aus anderen Disziplinen ist eine unerschöpfliche Quelle der Kreativität. Zudem sehe ich mir aktuelle Trendentwicklungen an, um diese in den Designprozess einfließen zu lassen.
Raphael Dörr: Was zeichnet für Sie wirklich gutes Produktdesign aus?
Peter Kolin: Letztendlich entsteht aus der richtigen Fragestellung, nämlich was der Benutzer eigentlich benötigt, das adäquate Design. Produkte sollten durch ihre Logik und Funktion überzeugen, und dabei benutzerfreundlich und verantwortungsvoll gestaltet sein. Es geht um nachhaltige Sinnstiftung, nicht um einen kurzweiligen Hype. Wenn das Produkt dann noch gut aussieht, habe ich als Designer einen guten Job gemacht!
Raphael Dörr: Wie hat sich das Design von Telefonen in den letzten Jahren verändert?
Peter Kolin: Bis vor ein paar Jahren konnten wir so gut wie jedes Telefon verkaufen, solange es schnurlos war. Heute sind die Kunden deutlich anspruchsvoller. Das bedeutet für uns, dass wir auf ständig neue und bessere Smartphones mit immer smarteren Produkten reagieren müssen. Dabei stellt sich die Grundsatzfrage: Wie wollen die Menschen zukünftig telefonieren? Die Antwort auf diese Frage ist, dass wir uns immer weiter von der klassischen Telefonie entfernen werden. Das Internet wird eine noch größere Rolle spielen, genauso wie ein intelligentes, von Sensoren unterstütztes Zuhause, mit dem auf den demographischen Wandel reagiert werden kann. Beispielsweise wenn die Großmutter in ihrer Wohnung stürzt und nicht wieder alleine aufsteht, so kann dies sensorisch erkannt und nach wenigen Minuten den Angehörigen per SMS gemeldet werden.
Raphael Dörr: Wie arbeiten Sie bei der Entwicklung eines neuen Designs? Im Team oder im Alleingang?
Peter Kolin: Tatsächlich haben wir bei Gigaset nur zwei Designer, die jedoch eher Designmanager als klassische Designer sind. Das heißt, wir kreieren erst einmal eine grundlegende Geschichte, prüfen Kundenbedürfnisse und Geschäftspotenzial und vieles mehr. Die fertige Story geben wir an eine externe Designagentur weiter und arbeiten sie in einem Team operativ aus.
Raphael Dörr: Welchen Stellenwert hat Design generell bei der Produktentwicklung?
Peter Kolin: Bereits seit ein paar Jahren lässt sich ein sehr starker Trend beobachten, dass Leute für smartes, schickes Design immer mehr Geld ausgeben. Das hat auch die Industrie erkannt. Ohne Designer macht der Techniker zwar ein funktionales Gerät, das jedoch niemand begehrenswert findet. Erst durch das Design bekommt ein Produkt so etwas wie eine Seele.
Raphael Dörr: Wie drückt sich denn die Marke Gigaset im Design aus?
Peter Kolin: Wir haben eine Design Experience definiert, die aus dem Produktdesign, aus der User Interface – also was auf dem Display sichtbar ist – und den Klingelmelodien besteht. Das ist ein Gesamterlebnis. Dazu haben wir eine konsistente Produktsprache definiert. Diese sagt zum Beispiel: Gigaset Telefone haben immer einen zentralen Navigationsring in der Mitte und einen kreisrunden Lautsprecher. Diese Merkmale bieten dem Benutzer im Geschäft Orientierung, wenn er vor 50 verschiedenen Telefonen steht.
Raphael Dörr: Wie viel Freiheit bleibt Ihnen dann noch für das individuelle Design des einzelnen Telefons?
Peter Kolin: Das ist mal mehr, mal weniger und immer auch von Herstellungskosten getrieben. Aber wir versuchen uns in Form einer Design-Story so weit wie möglich zu differenzieren. Wir haben drei Designkategorien definiert: ein sehr technisches Design, welches die Technikfreaks anvisiert, ein sehr emotionales, untechnisches Design, das sich mehr in die Wohnwelt integrieren möchte – so wie jetzt auch das Gigaset Dune. Und dann gibt es noch eine universale Produktlinie für all diejenigen, die sich nicht so sehr für Design begeistern, sondern einfach ein qualitativ hochwertiges, leicht zu bedienendes Telefon haben möchten. Das macht sich dann auch im Preis bemerkbar.
Raphael Dörr: Welche Zwischenschritte braucht es, um ein finales Design festzulegen, und wie lange dauert der Gesamtprozess?
Peter Kolin: Uns liegen die Bedürfnisse der Kunden sehr am Herzen. Deshalb starten wir immer mit explorativen Usertests und fragen Konsumenten, was sie sich von einem Telefon erwarten. Danach erfolgt eine kreative Konzeptphase zusammen mit den Designern. Es wird gezeichnet und im Modellatelier entstehen Dummies, die in die Hand genommen und aus Konsumentensicht betrachtet werden können. Als letzter Schritt in dieser Entwicklungsphase folgt die technische Implementierung am Computer. Bis hierhin dauert der Prozess ungefähr drei Monate. Danach folgen weitere technische und marketingrelevante Schritte, für die wir ungefähr ein Jahr benötigen.
Raphael Dörr: Was ist die Design-Story hinter dem Gigaset Dune?
Peter Kolin: Anstoß waren die Vorschläge aus unserer Abteilung Consumer & Market Intelligence, welche sich intensiv mit den Megatrends im Allgemeinen und dem Trend “Female Shift“ im Besonderen auseinandergesetzt hat. Eine Erkenntnis war, dass ungefähr 90% aller Konsumgüter mittlerweile von Frauen gekauft werden, so auch Telefone. Daher kam der Ansatz zu sagen, wir müssen die Vorstellungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppe ansprechen, gleichzeitig aber auch die der Männer nicht vernachlässigen. Da gerade Frauen häufig sehr lange telefonieren, war der Komfortfaktor von Anfang an ein wichtiges Element. Zusätzlich haben Konsumentenstudien ergeben, dass während des Telefonierens oft andere Dinge gemacht werden. Deswegen hat das Dune beispielsweise einen rutschfesten Fuß, der beim Telefonieren über die Freisprechfunktion für einen festen Stand sorgt. Noch etwas spezieller gesprochen, richten wir uns mit dem Dune an eine elegante und naturbewusste Zielgruppe, für die das Produktdesign großen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat.
Raphael Dörr: Was sind denn die zentralen Unterschiede im Aussehen des Dune zu anderen Telefonen?
Peter Kolin: Wie die meisten Telefonhersteller kommt auch Gigaset aus einer stark technisch geprägten Kultur. Unser Erfolg liegt im Engineering und sämtliche Prozesse sind entsprechend von Technikdenken gekennzeichnet. Demzufolge wirkten die meisten unserer Telefone in der Vergangenheit technisch oder gar maskulin. Mit Gigaset Dune haben wir einen kompromisslos untechnischen Weg beschritten. Wir haben uns von der Natur inspirieren lassen und so ein Design-Telefon entwickelt, das zum eleganten Einrichtungsaccessoire wird.
Raphael Dörr: Welche Bedeutung hat die Farbgebung des Dune?
Peter Kolin: Das Dune ist eine Hommage an die Natur. Es ist nicht einfach nur ein emotionales Lifestyle-Produkt. Die Natur spielt eine riesige Rolle dabei. Und das kommt dieser Sehnsucht vieler Menschen entgegen nach Rückbesinnung und nach guten, alten Werten, wie Authentizität oder Einklang mit der Natur. Die Farbe Weiß unterstützt dabei die „untechnische“ Positionierung eines technischen Produktes. Man könnte sagen, wir nehmen technikscheuen Menschen die Angst vor möglicher Komplexität. Dazu kommt auch das Offensichtliche: Weiß ist ein seriöser und zeitloser Farbwert und steht für Eleganz und Klarheit.
Raphael Dörr: Stand der Name oder das Design zuerst?
Peter Kolin: Erst kam das Design. Wir haben nach etwas Natürlichem gesucht und dann kam prozesshaft die Idee mit einem rundgewaschenen Stein und später sind wir bei einer Düne gelandet. „Dune“ war dabei der Arbeitstitel. Wir haben uns dann entschieden, die Emotionalität des Designs mit einem entsprechenden Namen zu unterstreichen. Und da der Begriff sowohl für Männer als auch für Frauen funktioniert, haben wir ihn beibehalten.
Raphael Dörr: Können Sie uns zum Schluss noch einen Ausblick auf Trends im Technik-Design geben?
Peter Kolin: Zunächst fällt mir das Stichwort Bionik ein: Ressourcen optimierte, technische Lösungen und Design auf Basis natürlicher Vorbilder. Das setzt sich immer mehr durch. Dann gibt es das Thema Leichtbau. Beispielsweise hatte ein Handy vor fünf Jahren ungefähr drei Mal so viel Masse wie heutzutage. Und das trifft auf sämtliche Produkte zu: Was möglichst flach und leicht ist, gewinnt. Ein letzter aktueller Trend ist der, dass wir uns immer mehr von rein technischen Designs in Schwarz und Chrom entfernen, hin zu emotionalen Designs.
Raphael Dörr: Herr Kolin, vielen Dank für das Gespräch!
