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Group young people using mobile smartphone outdoor - Millennial generation having fun with new trends social media apps - Youth technology addicted - Red background Quelle: iStock.com/Alessandro Biascioli

Was unser Smartphoneverhalten über unsere Persönlichkeit verrät

7. Juni 2021 Veröffentlicht von Raphael Doerr

Immer pünktlich ins Bett gehen, beim Aufstehen schon das Wetter checken, den Akku nachts immer laden, am Wochenende Musik hören oder sich eine Netflix-Serie ansehen. Welche Apps und die Art und Weise auf der wir sie auf unserem Smartphone nutzen, verrät mehr über unsere Persönlichkeit, als uns lieb ist. Das zeigt eine neue Studie zu Smartphoneverhalten.

Beim Surfen im Netz hinterlassen wir jede Menge Datenspuren. Daten-hungrige Cookies und Tracker gehören zum Surf-Alltag im Web dazu. Hier geht es Unternehmen darum, möglichst passende, auf die persönlichen Bedürfnisse eines Nutzers abgestimmte Werbung einzublenden, die den Nutzer zum Kauf des beworbenen Produkts bewegen sollen. Noch viel mehr und vor allem feinere Daten fallen bei der täglichen Smartphone-Nutzung an. Psychologen, Medieninformatiker und Statistiker der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben die Smartphone-Nutzung im Rahmen des “PhoneStudy”-Forschungsprojekts genauer ausgewertet und die Ergebnisse unter dem Titel: „Predicting personality from patterns of behavior collected with smartphones“ veröffentlicht. Die Münchner Wissenschaftler entwickelten für ihre Studie eine eigene Forschungsapp namens “PhoneStudy”, die in Kooperation mit Psychologen der Universität Stanford 30 Tage lang ausgewählte Parameter des Smartphone-Nutzungsverhaltens von 624 Freiwilligen aufzeichnete.

Die Frage, ob sich bereits aus gängigen Verhaltensdaten von Smartphones wie Nutzungszeiten oder -häufigkeiten Hinweise auf die Persönlichkeit der Nutzer ergeben beantwortet das Team um den LMU-Psychologen Markus Bühner mit einem eindeutigen: Ja. „Wir können daraus automatisiert Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Nutzer ziehen, zumindest für die meisten Persönlichkeitsdimensionen“, sagt Clemens Stachl, ehemaliger Mitarbeiter am Lehrstuhl von Markus Bühner (Psychologische Methodenlehre und Diagnostik) und nun Forscher an der Stanford University, USA.

Um was geht es?

„Smartphones erfreuen sich weltweit hoher Akzeptanzraten. Selten mehr als einen Arm entfernt, können diese sensorreichen Geräte leicht wiederverwendet werden, um umfangreiche und umfassende Aufzeichnungen über das Verhalten ihrer Benutzer (z. B. Standort, Kommunikation, Medienkonsum) zu sammeln, was eine ernsthafte Bedrohung für die Privatsphäre des Einzelnen darstellt. Hier untersuchen wir, inwieweit die Big Five-Persönlichkeitsdimensionen von Personen auf der Grundlage von sechs verschiedenen Klassen von Verhaltensinformationen vorhergesagt werden können, die über Sensor- und Protokolldaten erfasst werden, die von Smartphones gesammelt wurden. Mit einem Ansatz des maschinellen Lernens prognostizieren wir die Persönlichkeit basierend auf Verhaltensdaten, die von 624 Freiwilligen an 30 aufeinander folgenden Tagen gesammelt wurden.“

Für jede der Persönlichkeitsdimensionen ermittelte der Algorithmus die so genannten wichtigsten Prädiktoren: das aufgezeichnete Nutzerverhalten, welches für die Vorhersage der individuellen Ausprägungen auf jedem Persönlichkeitsmerkmal den wichtigsten Beitrag leistet. So ist zum Beispiel die durchschnittliche Uhrzeit, wann das Telefon zum ersten und letzten Mal pro Tag benutzt wurde, ein Indikator für Gewissenhaftigkeit. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Sport-Apps war ein Indikator für Offenheit für Ästhetik und die durchschnittliche Anzahl von Anrufen in der Nacht ein Indikator für Abenteuerlust.

„Unsere kreuzvalidierten Ergebnisse zeigen, dass spezifische Verhaltensmuster in den Bereichen 1) Kommunikation und soziales Verhalten, 2) Musikkonsum, 3) App-Nutzung, 4) Mobilität, 5) allgemeine Telefonaktivität und 6) Tages- und Nachtaktivität eindeutig die Big Five Persönlichkeitsmerkmale vorhersagen. Die Genauigkeit dieser Vorhersagen ist ähnlich wie bei Vorhersagen, die auf digitalen Fußabdrücken von Social-Media-Plattformen basieren, und zeigt die Möglichkeit, Informationen über die privaten Eigenschaften von Individuen aus Verhaltensmustern zu erhalten, die passiv von ihren Smartphones gesammelt werden. Insgesamt weisen unsere Ergebnisse sowohl auf die Vorteile (z. B. in Forschungsumgebungen) als auch auf die Gefahren (z. B. Auswirkungen auf die Privatsphäre, psychologisches Targeting) hin, die sich aus der weit verbreiteten Sammlung und Modellierung von Verhaltensdaten ergeben, die von Smartphones stammen,“ heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Big Five

Das Fünf-Faktoren-Modell, auch Big Five genannt, entstammt der Persönlichkeits-psychologie. Dem Modell zufolge gibt es fünf Hauptdimensionen, anhand derer sich die Persönlichkeit eines Menschen beschreiben lässt: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extravertiertheit, Verträglichkeit und emotionale Stabilität. Alle fünf Dimensionen lassen sich in weitere Facetten unterteilen. Die Werte werden über einen umfangreichen standardisierten Fragebogen errechnet. Das Big Five Modell wird heute sehr oft als Karrieretest zur Personal- und Bewerberbeurteilung verwendet.

Das sollte man wissen

In der Studie schreiben die Experten: „Die integrierten Sensoren eines Smartphones und die Protokollierungsfunktionen des Geräts (z. B. App-Nutzungsprotokolle, Medien- und Website-Verbrauch, Standort, Kommunikation, Bildschirmaktivität) können von Apps genutzt werden, um das tägliche Verhalten sowohl auf den Geräten selbst als auch in den Geräten aufzuzeichnen in unmittelbarer Nähe zu ihnen. Diese Daten haben ein großes Potenzial für die psychologische Forschung und liefern bereits wertvolle Erkenntnisse, einschließlich Studien, die Daten zu körperlicher Aktivität und Kommunikation mit menschlichen Emotionen und geistigem Wohlbefinden in Verbindung bringen. Verhaltensdaten von Smartphones können jedoch private Informationen enthalten und sollten daher nur mit Einverständniserklärung gesammelt und verarbeitet werden. Theoretisch müssen Benutzer Apps die Erlaubnis erteilen, auf bestimmte Datentypen auf ihren Telefonen zuzugreifen (z. B. Standort- oder Audiodaten aufzuzeichnen).“

Die ZEIT hat, basierend auf der Studie, die Ergebnisse zusammengefasst und grafisch sehr anschaulich umgesetzt.

Gewissenhaftigkeit

Mit diesen Angewohnheiten dokumentiert jemand Selbstkontrolle, Genauigkeit, Zielstrebigkeit:

 

Offenheit

Wodurch verrät jemand, dass er Interesse an neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken hat?

Extravertiertheit

Wer diese Anwendungen nutzt, gilt als geselliger, freundlicher, abenteuerlustiger, optimistischer Mensch:

Verträglichkeit

Dazu zählt das individuelle Maß an Hilfsbereitschaft, Kooperationsfähigkeit, Wohlwollen und Mitgefühl. Begrenzte Aussagekraft: In dem vorliegenden Experiment wurden keinerlei Inhalte von Textnachrichten oder Anrufen ausgelesen. Deshalb ist es schwer zu beurteilen, ob jemand besonders humorvoll, kompetent oder hilfsbereit ist. Aus diesem Grund lassen sich für die gesamte Kategorie Verträglichkeit mit der vorliegenden Studie keine validen Aussagen treffen.

Emotionale Stabilität

Manche App gibt indirekt darüber Auskunft, wie jemand negative Emotionen wie Stress oder Angst erlebt:

Die Studie sollte allerdings nicht überinterpretiert werden, sie ist nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Getestet wurde mit vorwiegend jungen Personen um die 20, mehr Frauen als Männern, die sich auf verschiedene Aufrufe, die die LMU auf analogen und digitalen Kanälen gestreut hat, gemeldet haben. Die Studienergebnisse sind nicht ohne weiteres auf ältere Personen oder andere Kulturkreise übertragbar.

Für Forscher sind die Ergebnisse von großem Wert, heißt es auf der LMU-Webseite. „Vor allem weil in der Psychologie bislang Persönlichkeitsdiagnostik fast ausschließlich auf Selbstbeschreibungen beruht. Diese zeigen sich zwar beispielsweise für die Vorhersage von beruflichem Erfolg als nützlich. „Dennoch wissen wir gleichzeitig sehr wenig darüber, wie sich Menschen tatsächlich im alltäglichen Leben verhalten – außer das, was sie uns im Fragebogen mitteilen möchten“. sagt Markus Bühner. „Smartphones bieten sich durch ihre Allgegenwärtigkeit, ihre Verbreitung und ihre enorme technische Leistungsfähigkeit als ideale Forschungsgeräte an, um zu sehen, ob die Selbstbeschreibungen auch mit realem Verhalten übereinstimmen.“

Vielleicht wird beim nächsten Karrieretest ja das Smartphone unterstützend zur Personal- und Bewerberbeurteilung verwendet.

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