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Home Office Quelle: Agnieszka Boeske auf Unsplash

Home Office: The New Convention of Work

29. September 2020 Veröffentlicht von Raphael Doerr

Home Office – das aktuelle Thema schlechthin. Die Corona-Pandemie scheint die Welt nachhaltig zu verändern. US-amerikanische Tech-Giganten, aber auch führende Unternehmen in Deutschland, geben ihren Mitarbeitern zukünftig deutlich mehr Freiraum bei der Wahl des Arbeitsplatzes.

Ob dies eine Überreaktion angesichts der aktuellen Unsicherheit ist oder eine zeitgemäße Maßnahme für eine ohnehin zunehmend vernetzte Welt, in der überfüllte Büros und Präsenzpflicht bei starren Kernarbeitszeiten sowieso Konzepte der Vergangenheit sind, wird die Zukunft zeigen.

Auch für Mitarbeiter gestaltet sich die Veränderung ambivalent: Für den einen ist es ein Segen, für den anderen ein Fluch. Morgens nicht mehr im Stau stehen, konzentrierter Arbeiten, in der Mittagspause kurz etwas im Haushalt erledigen oder auf der eigenen Couch entspannen vs. fehlender, echter sozialer Kontakte, Isolation und womöglich immer längeren Arbeitsphasen, da das Private und der Beruf im Zuhause verschmelzen, die Mittagspause kürzer und der Feierabend später wird – denn man hat ja immer noch etwas zu erledigen.

Das Home Office stellt uns vor viele Herausforderungen. Doch ich möchte in diesem Kontext auf ein anderes Thema eingehen. Ich erlebe aktuell einen Zustand, in dem Führungskräfte befürchten, dass sie durch Remote Work die Kontrolle über ihre Mitarbeiter und deren Arbeit verlieren. Zu den größten Sorgen gehören verkürzte Arbeitszeiten der Mitarbeiter, nicht vereinbarte Abwesenheiten sowie das Nichterledigen von Aufgaben oder ein geringeres Leistungsniveau. In Summe also ein Abfall der Produktivität. Aber warum bestehen diese Ängste eigentlich und sind sie gerechtfertigt?

Nun ist es ja auch im Büro bislang auch nicht so gewesen, dass der Chef mit der Stechuhr am Eingang steht oder seinen Mitarbeitern nonstop über die Schulter geschaut hat, ob auch wirklich gearbeitet wird oder im Internet gesurft wird. Was hat also das Gefühl der Kontrolle im Büro ausgelöst und warum war die Welt hier in Ordnung? Eigentlich doch nichts anderes als die pure Präsenz der Mitarbeiter – die visuelle Wahrnehmung der Belegschaft. Negative Auswüchse kennen wir in diesem Kontext alle: das „Wetthocken“ im Büro, verbunden mit dem Fehlschluss, dass wer am längsten sitzt auch am produktivsten und damit am engagiertesten arbeitet.

Jede Führungskraft, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit und dem Einsatzwillen seines Teams in dezentralen Strukturen hegt, ist eine ungeeignete Führungskraft und hat das Prinzip von Führung entweder nie verstanden oder nie implementiert.

Reine Vertrauensfrage

Wenn durch das Home Office das Vertrauen in den Mitarbeiter jedoch so erschüttert wird, stellt sich die Frage, ob den Mitarbeitern denn jemals absolut vertraut wurde? Daraus wiederum könnte man schlussfolgern, dass wenn eine Führungskraft die Vertrauens-Frage nicht mit einem klaren „Ja“ beantworten kann, die logische Konsequenz die Kündigung der Mitarbeiter sein müsste, denen man nicht vertraut. Ebenso müsste der Mitarbeiter permanent auf dem Sprung sein, denn niemand möchte (außer es ist wirtschaftlich unvermeidbar) in einem Arbeitsverhältnis stehen in dem einem kein Vertrauen entgegengebracht wird.

Und in diesem Kontext müsste die Führungskraft der Führungskraft, seien es Abteilungsleiter in größeren Strukturen oder Vorstände und Geschäftsführer in kompakteren Strukturen direkte Zweifel an ihren Führungskräften hegen. Jede Führungskraft, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit und dem Einsatzwillen seines Teams in dezentralen Strukturen hegt, ist eine ungeeignete Führungskraft und hat das Prinzip von Führung entweder nie verstanden oder nie implementiert.

The New Deal

Angesichts der aktuellen Veränderung ist es von besonderer Bedeutung auch auf Distanz ein Vertrauensgefühl – und zwar ein beidseitiges – aufrechtzuerhalten, wenn nicht sogar zu stärken. Am Ende des Tages kommt es schließlich nicht darauf an, wie viele Stunden abgearbeitet wurden, sondern ob die Arbeit nach bestem Gewissen erledigt wurde und ob das Resultat stimmt.

Was also brauch es dazu über die Distanz hinweg Vertrauen zu schaffen? Meiner Meinung nach ist hier ein Zusammenspiel aus Regeln, die sich Mitarbeiter zur Erleichterung ihres Alltags und zur Demonstration ihrer Loyalität gegenüber der Firma selbst setzen und klaren Regeln, die das Unternehmen seinen Mitarbeitern an die Hand gibt nötig. Man könnte dies auch als wechselseitiges Self-Management bezeichnen.

Dem Mitarbeiter wird die Arbeit von Zuhause aus leichter fallen, wenn er sich bestimmte Rituale, bzw. einen gewissen Habitus zulegt (vgl. meinen Artikel zum Thema). Vielleicht ein kleiner Spaziergang vor Beginn der Arbeit oder das Tragen adäquater Kleidung auch in den eigenen vier Wänden. Durch die Routinen und das Einhalten der Regeln, bzw. der gemeinsam getroffenen Vereinbarungen mit den Vorgesetzten und deren Erfüllung, wird es zu einer Stärkung des Vertrauensverhältnisses kommen.

Der Vorgesetzte wird ein sichereres Gefühl bekommen und den befürchteten Kontrollverlust schon bald vergessen, wenn feste Kernarbeitszeiten, Meetings und Deadlines klar definiert und vor allem auch eingehalten werden. Kündigt ein Mitarbeiter seine Abwesenheit in einem sinnvollen Rahmen vorab an, kann sich das ganze Team darauf einstellen.

Wie erleben Führungspersonen oder Angestellte den momentanen Umschwung vom Office zum Home Office und was hilft dabei, das Team zusammen zu halten und den New Deal zu etablieren? Es gibt natürlich bereits hunderte Unternehmen, die schon lange vollständig digital und dezentral arbeiten. Allerdings scheint das Thema Home Office – gerade im Kontext der „old industry“ – doch ein hoch-emotionales Thema zu sein.

 

Raphael Dörr 31. 07. 2020 via LinkedIn

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