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Heißhunger nach Streaming-Video-Content

2. Juni 2022 Veröffentlicht von Raphael Doerr

Es wird so viel gestreamt wie noch nie und die Anbieter von Streaming-Abos verdienen sich eine goldene Nase, das ist die gute Nachricht. Allein in Deutschland betrug der Umsatz im Abo-basierten Video-Streaming rund 1,92 Milliarden Euro. Doch schon für 2022 werden 2,26 Milliarden Euro prognostiziert, im Jahr 2026 soll der Umsatz bereits 3,09 Milliarden Euro betragen. Damit belegt Deutschland im weltweiten Ranking Platz vier hinter den USA, China und dem Vereinigten Königreich. Zum Vergleich: In den USA wird in diesem Jahr etwa ein Umsatz von 30,24 Milliarden Euro erwartet. Die schlechte Nachricht: Streamingdienst-Abos werden so häufiger gekündigt wie Abonnenten ihre Unterwäsche wechseln und der Frustrationsgrad der Abonnenten wächst. In diesem Blogbeitrag stellen wir die Gründe für diese Entwicklung, anhand der aktuellen Berichte von Nielsen und Deloitte, vor.

Der Heißhunger der Verbraucher

Der State of Play-Bericht von Nielsen zeigt, dass die Verbraucher in Amerika im Februar 2022 auf ein unglaubliches Angebot zugreifen konnten: mehr als 817.000 Programmtitel standen zur Auswahl zur Verfügung, 2019 waren es lediglich 646.000 Titel. Die Zunahme der Inhalte geht auch mit einer Zunahme des Konsums einher, da 18 % der Amerikaner jetzt für vier Streaming-Dienste zahlen, gegenüber 7% im Jahr 2019. Im Februar dieses Jahres machten Inhalte von Streaming-Plattformen knapp 29 % der gesamten Fernsehzeit der Verbraucher aus. Insgesamt sahen die Amerikaner im vergangenen Jahr fast 15 Millionen Jahre lang Video-Streaming-Inhalte. Doch wie der Bericht zeigt, will die amerikanische Video-Community noch mehr und denkt gar nicht daran mal abzuschalten. Das spiegelt sich auch im Streaming-Verhalten wieder.

Die durchschnittliche Zeit, die Zuschauer pro Woche mit dem Streamen von Videos verbringen, stieg im Februar 2022 auf 169,4 Milliarden gestreamter Minuten, gegenüber 143,2 Milliarden zur gleichen Zeit im Vorjahr. Die meisten Verbraucher geben zwischen 15 und 49 US-Dollar pro Monat für Abonnements von Streaming-Diensten aus, und 93 % planen, ihre Streaming-Optionen sogar zu erweitern oder ihre aktuellen Pläne nicht zu ändern.

US-Kunden haben durchschnittlich vier oder fünf Video-on-Demand-Dienste (SVoD) abonniert und die Mehrheit greift zudem auch auf mehrere kostenlose, werbefinanzierte TV-Dienste (FAST) zu.  Darüber hinaus gibt es in den USA fast 340 Millionen Abonnementverträge für Over-the-Top-Streaming-Dienste (OTT). OTT-Dienste sind Medienplattformen, die über das Internet angeboten werden und traditionelle, lineare Broadcast-Modelle umgehen.

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Wen wundert es da, dass die Verbraucher schnell den Überblick verlieren. Bei so vielen Videoangeboten und Abo-Anbietern fühlt sich so mancher Verbraucher schnell überfordert. Das geht jedenfalls rund 46 % der Zuschauer so. Je mehr Programmtitel in den letzten drei Jahren hinzugekommen sind, der Anstieg betrug fast 20%, umso größer auch die Überforderung und umso schwieriger der Weg, die gewünschten Inhalte zu finden. Und das nervt viele enorm. Der Bericht zeigt auch einige der Frustrationen auf, die die Verbraucher beim Streaming erleben. Während 72 % der Amerikaner sagen, dass sie ihre Nutzererfahrung mit Video-Streaming-Diensten lieben, sagen 64% der Zuschauer auch, dass sie sich einen gebündelten Video-Streaming-Dienst wünschen, der es ihnen ermöglicht, so viele oder so wenige Video-Streaming-Dienste wie gewünscht auszuwählen, eher wie Kanäle. Und wenn es um die Auswahl an Streaming-Diensten geht, ist weniger manchmal mehr. Der Bericht zeigt, dass 46 % der Zuschauer sagen, dass es schwieriger ist, die Video-Streaming-Inhalte zu finden, die sie sehen wollen, weil zu viele Streaming-Dienste für die Verbraucher verfügbar sind.

„Wir sind von den Kinderschuhen in die Pubertät übergegangen, mit all den Komplexitäten, die man an diesem Punkt erwarten würde. Es geht nicht nur darum, dass das Streaming von Jahr zu Jahr zunimmt. Jetzt wollen die Verbraucher einen vereinfachten Zugang. Und die explosionsartige Zunahme der Dienste hat auch die Diskussion über Bündelung und Aggregation neu entfacht,“ lautet das Fazit der Experten des Berichts. 64% der Befragten gaben an, dass sie sich einen gebündelten Video-Streaming-Dienst wünschen, der es ihnen ermöglicht, so viele oder so wenige Video-Streaming-Dienste auszuwählen, wie sie möchten.

Ein Shop für alle

Die Industrie in den Vereinigten Staaten reagiert bereits darauf dem Publikum die Möglichkeit ausgewählte Dienste zu bestehenden Paketen hinzuzufügen. Und einige Unternehmen haben bereits ihre Streaming-Angebote gebündelt, wie Xfinity und Apple. Auch das Telekommunikationsunternehmen Verizon geht diesen Weg. Seine angekündigte +play-Plattform umfasst Partnerschaften mit Netflix, Peloton, Disney+ und anderen Streaming-Anbietern. Der Dienst ermöglicht es den Kunden, einige ihrer Lieblingsabonnements zu entdecken, zu kaufen und zu verwalten – ohne zusätzliche Kosten.

Fluch und Segen

Für viele SOVD-Unternehmen ist diese Entwicklung Fluch und Segen zugleich. Der Segen liegt auf der Hand, sie machen Geld, viel Geld und scheffeln mit Abos und Services auch in den nächsten Jahren Milliarden von US-Dollars. Die brauchen sie auch, denn sie müssen jede Menge Inhalte produzieren, kaufen oder lizenzieren, damit das Angebot wöchentlich wächst und so den Heißhunger der „Generation SVC“ (Streaming-Video-Content) zu befriedigen. Doch dies entpuppt sich immer mehr zu einer echten Sisyphos-Arbeit. Denn das Publikum ist keineswegs homogen, es ist fragmentiert und wird durch andere Formate und Plattformen zudem immer stärker abgelenkt.

Nutznießer dieser Entwicklung sind die Social-Media-Dienste. Sie locken täglich Heerscharen neuer Nutzer:innen mit unendlichen Streams personalisierter, benutzergenerierter Video-Feeds, deren Produktion die Unternehmen wenig oder gar nichts kostet. Für den Benutzer ist das Angebot kostenfrei und das wird gerne angenommen.

Bleiben oder Kündigen?

Der Streamingdienst Netflix ändert ständig das angebotene Programm. Regelmäßig werden so Filme und Serien gelöscht, für die der Streamingdienst nicht mehr die nötigen Lizenzen besitzt. Wer dennoch seine Lieblingsserien weiterschauen will, der wechselt zu einem anderen Abo-Dienst. Laut der Digital Media Trends Studie für 2022 des Beratungsunternehmens Deloitte sind die US-Verbraucher jedenfalls zunehmend frustriert von ihren Streaming-Plattformen. Die Hauptgründe hierfür sind: sie verlieren ihre liebgewonnen Inhalte an andere Dienste, weil Lizenzmodelle auslaufen und sie müssen mehrere Abonnements gleichzeitig verwalten. Im Endergebnis ist das frustrierend. In einem Bericht von Accenture vom Januar 2022 gaben rund 44% der Umfrageteilnehmer an, dass sie mehr als sechs Minuten allein damit verbringen, nach Inhalten zu suchen, die sie sich ansehen möchten. Darüber hinaus sind über 60% der Inhalte, für die sie bezahlen, für sie nicht relevant, und 56% geben an, dass sie wünschen, dass ihr Profil von einem Dienst mit einem anderen geteilt werden könnte, um bessere, personalisierte Inhalte zu erhalten.

All dies sind Gründe dafür, warum die Streaming-Video-Plattformen gerade die ersten Anzeichen eines Abwanderungstrends erleben und die Wachstumskurven stagnieren.  Abonnenten kündigen ihr Abo und wechseln zu einem anderen Anbieter oder bleiben auf einer der großen Social Media-Plattformen hängen. Berichten zufolge haben im vergangenen Jahr 25% der US-Verbraucher Streaming-Sites gekündigt und erneut abonniert. In allen von Deloitte befragten Ländern werden zudem die sogenannten SVOD-Abonnenten – insbesondere Gen Z und Millennials – immer schlauer, wenn es darum geht, den größten Nutzen aus Unterhaltung für den geringsten Geldbetrag zu ziehen. Anscheinend wenden sich Generation Z und Millennials, die mit interaktiven Medien aufgewachsen sind, eher sozialen Medien und Videospielen zu, wenn sie nichts auf einer Streaming-Site interessiert.

Was versteht man unter SVoD?

SVoD bedeutet “Subscription-Video-on-Demand”. Hierbei handelt es sich um eine Form von “Video on Demand“, bei der User die Videos via Streaming abrufen können und eine monatliche oder jährliche Summe zahlen müssen. Es handelt sich hierbei also um ein Abonnement, wie z. B Amazon Prime oder Netflix. Die Benutzer haben die volle Kontrolle über das Abonnement und können entscheiden, wann das Programm gestartet werden soll. Sie können die Sendung auch anhalten, vorspulen, zurückspulen und anhalten, wie es ihnen gefällt. Es handelt sich um Pay-TV-Programme, einschließlich Fernsehserien und Block-Buster-Filmen, jedoch ohne Programmplan. Hochwertige Inhalte stehen jederzeit auf Abruf direkt auf dem Fernsehgerät des Benutzers zur Verfügung. Der Inhalt wird auch häufig aktualisiert.

Die Gewinnung neuer Abonnenten kostet Streaming-Anbietern sehr viel Geld. Der Verlust von Abonnenten, bevor die Akquisitionskosten für das Abo überhaupt eingespielt und zurückgezahlt sind, kostet noch mehr. Die Stornierung eines Dienstes bedeutet jedoch nicht, dass die Abonnenten nicht zurückkehren werden. Ein Viertel der US-Verbraucher hat in den letzten 12 Monaten einen Streaming-Videodienst gekündigt und denselben Dienst erneut abonniert, wobei jüngere Generationen mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit wiederkommen (Abbildung 2). In Großbritannien, Deutschland, Brasilien und Japan sind insgesamt etwa 22 % abgewandert und zurückgekehrt. Wieder einmal ist das Verhalten bei jüngeren Generationen stärker.

Wie die  Digital Media Trends Studie berichtet, nehmen vor allem die jüngere Generation mehr kostenpflichtige Streaming-Videodienste (SVoD) und werbefinanzierte (AVOD) an, beschäftigen sich mehr mit sozialen Medien und stufen das Spielen von Videospielen als eine ihrer bevorzugten Formen der Unterhaltung ein. Gleichzeitig ist es wahrscheinlicher, dass sie abwandern und SVoD-Abonnements kündigen, wenn der Inhalt versiegt oder die Abonnementkosten steigen. Und es ist wahrscheinlicher, dass sie sich wieder anmelden, wenn neue Inhalte oder Rabatte verfügbar sind. Wie die Experten von Deloitte berichten kommen Abonnenten entweder wieder zurück, weil eine neue Staffel ihrer Lieblingssendung veröffentlicht wurde, oder sie erhielten einen kostenlosen oder ermäßigten Preis. Etwa ein Viertel der User, die für die Studie in den Ländern befragt wurden gaben zu, dass sie routinemäßig kündigen und wieder abonnieren, um die Kosten zu senken. In allen von uns befragten Ländern werden Verbraucher – insbesondere Generation Z und Millennials – immer klüger bei der Entscheidung, wie viel Geld sie für welche Inhalte ausgeben.

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