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Was Sie schon immer über das Metaverse wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

24. Februar 2022 Veröffentlicht von Raphael Doerr

1999 fragte Boris Becker recht verdutzt die deutsche Fernseh-Community: „Bin ich da schon drin oder was?“ Becker machte damals Werbung für AOL und das Internet Startpaket. Und damit ins Internet zu kommen, war absolut einfach, so einfach, dass selbst Becker es nicht merkte. Wer heute ins Metaverse will, „einem Netzwerk aus ständigen, in Echtzeit laufenden dreidimensionalen Welten und Simulationen, die von einer unbegrenzten Anzahl von individuellen Usern genutzt werden können“, der hat es weitaus schwerer als der junge Becker von 1999.

Das Metaverse gibt es nämlich noch nicht so richtig. Es soll mal, soviel kann man prognostizieren,  werden wie das Internet, nur eben neuer, dreidimensionaler, virtueller und viel komplexer. Und es soll nicht ein Metaverse geben, sondern gleich mehrere. Stand heute  war noch niemand dort, sieht man von Science Fiction Helden, wie Hero, Neo und Fortnite Spieler:innen mal ab. Deswegen weiß man auch noch nicht genau, wo das Metaversum liegt und ein Startpaket, wie damals von AOL, um den Sprung in die neuen 3D-Welten zu wagen, gibt es noch nicht, sieht man mal von VR-Brillen, vereinzelten Gadgets und speziellen VR-Handschuhen mal ab. Warum also dieser Hype um das Metaverse?

Schauen wir auf die Faktenlage, so wird schnell klar, worum es geht. Facebook Gründer Mark Zuckerberg will bis 2030 eine Milliarde Menschen ins Metaverse schicken. „Unser übergreifendes Ziel ist es, das Metaverse zum Leben zu erwecken“, sagte er Ende Juni 2021 gegenüber seinen Angestellten. Und im Oktober 2021 wurde aus Facebook die Meta Platforms Incorporation. Das Wort “meta” stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt so viel wie „das Jenseits“ oder „darüber hinaus“ (im Deutschen) bzw. „beyond“ (im Englischen). Das Metaversum soll die echte und virtuelle Welt verknüpfen, verkündete der  Facebook-Chef. Die Zukunft sieht er nicht in einzelnen Social-Media-Plattformen, sondern in einem verbundenen System. Doch was genau ist das Metaverse, wie kommt man dorthin und wie kann es unser Leben verändern? In diesem Blogbeitrag wollen wir versuchen, Antworten auf ein paar sehr spannende Fragen zu finden.

Das nächste große Ding

„Es mag weit weg erscheinen, aber vor 35 Jahren wären die Leute auch skeptisch gewesen, wenn ihnen gesagt worden wäre, dass wir Verabredungen und Jobs finden würden, während wir auf einen Bildschirm in unseren Schlafzimmern starren,“ schreibt die Washington Post in einem Beitrag über das Metaverse. Höchste Zeit sich also mit dem Metaverse näher zu beschäftigen, denn wie es scheint, wird es keine 35 Jahre dauern, bis es Realität ist.

Denn schon heute arbeiten etliche Tech-Giganten und Industrie-Unternehmen, ebenso wie Städte und Länder daran, das Metaverse aufzubauen. Jeder will dabei sein und vorbereitet sein, wenn es kommt und jeder will, so scheint es, sich rechtzeitig ein Stück vom Kuchen sichern zu wollen. Und der ist gigantisch groß und laut Experten zig Billionen Dollar schwer. Schon 2022 sollen, laut einem aktuellen Bericht Metaverse-Apps mehr als 3 Milliarden US-Dollar an Verbraucherausgaben eingenommen werden. Metaverse ist, so behaupten viele Experten, aktuell die größte Wette des Silicon Valley, neben der Eroberung des Weltraums und den autonomen Autos.

Das Softwareunternehmen Epic Games leitete bereits 2021 eine Finanzierungsrunde in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar ein. Mit dem Geld, so Firmenchef Tim Sweeney, soll die langfristige Vision des Unternehmens eines Metaverse umgesetzt werden. Im Mittelpunkt steht dabei das Battle-Shooter-Spiel Fortnite, das zu einem Metaversum ausgebaut werden soll. Im gleichen Jahr hat Südkorea die Gründung einer nationalen Metaverse-Allianz angekündigt mit dem Ziel, eine einheitliche nationale VR- und AR-Plattform aufzubauen. Seoul hat 33 Millionen Dollar für ein Projekt namens „Metaverse Seoul“ zugesagt. Die südkoreanische Hauptstadt plant, Metaverse-Technologien bis 2026 in allen Verwaltungssektoren einzuführen. Dieser Fünfjahresplan soll laut XR Today „die öffentlichen Dienste von Seoul transformieren, indem er es den Mitarbeitern ermöglicht, mit der Öffentlichkeit über eine offizielle Metaverse-Plattform unter Verwendung von 3D-Avataren und immersiven Umgebungen zu kommunizieren.“ Barbados hat angekündigt, dass der Inselstaat die Eröffnung einer Metaverse-Botschaft plant. Einem Bericht von CoinDesk zufolge ist die Regierung von Barbados dabei, Partnerschaften mit mehreren führenden Metaverse-Plattformen abzuschließen.

Beim Flugzeughersteller Boeing sollen Flugzeuge künftig im Metaverse entworfen werden. Und Software-Gigant Microsoft hat im Januar diesen Jahres verkündet, den Spielehersteller Activision Blizzard für 68,7 Milliarden US-Dollar zu kaufen, um seine Metaverse-Strategie weiter voran zu treiben. Mit dem Deal wird Microsoft nicht nur der drittgrößte Gameentwickler in Sachen Umsatz, sondern hat den Plan, sich im Metaverse breiter aufzustellen. Microsoft-CEO Satya Nadella geht davon aus, dass es nicht nur ein zentrales Metaverse geben werde, sondern mehrerer Metaversen. Denen wolle Microsoft sich zuwenden.

Science Fiction Romane als Blueprint für das  Metaverse

Wer den Film „Willkommen im Dschungel“ mit Jack Black, Kevin Hart, Karen Gillan und Dwayne „The Rock“ Johnson im Kino gesehen hat, weiß so ungefähr wie man ins Jumanji-Metaverse kommt. Man benötigt eine Spielkonsole, das Jumanji-Videospiel und einen Fernseher und zack, bevor man bis drei zählen kann, ist man schon im Dschungel, steckt in einem neuen Körper und hat 3 Leben, um im Spiel voranzukommen. Wer statt Videogaming lieber einen Kleiderschrank bevorzugt, kommt eben in Narnja raus und nicht in Jumanji. Was auch nicht so schlecht ist. Und wer lieber liest und Sience-Fiction Bücher mag, der kennt das Metaverse vielleicht schon.

Neal Stephenson hat in seinem Roman „Snow Crash“ aus dem Jahr 1992 das Metaverse beschrieben. Und das ist definitiv kein Ort, wo man seinen nächsten Urlaub verbringen möchte. „Stephensons Roman spielt in einer dunklen, dystopischen Welt, in der alle wichtigen staatlichen Stellen (Polizei, Justiz, Regierungen), ja selbst Staaten selbst, privatisiert sind. Das Leben ist geprägt von Hyperinflation und extremer sozialer Ungleichheit. Um dem Albtraum des täglichen Lebens zu entkommen, ziehen sich Menschen in ein Metaversum (englisch: Metaverse) zurück, einer Mischung aus dem Internet und einem Online-Rollenspiel. Durch das Metaverse bewegen sich die Menschen mit Avataren. Einlass in das Metaverse erhalten Menschen über eine nicht-permanente Schnittstelle zwischen der digitalen und nicht-digitalen Welt, die im Buch auch als „phygital interface“ bezeichnet wird.“

Hiro Protagonist ist Hacker, Informationssammler für die CIC, der Nachfolgeorganisation des CIA. und Pizzakurier. Dabei kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die sowohl in der realen Welt als auch im virtuellen Raum immer mehr Todesopfer fordert. Als VR-Schwertkämpfer taucht er in die Cyberwelt der Zukunft ein, um dort einen Schurken aus ferner Vergangenheit zu besiegen und die “Infokalypse” zu verhindern.

Das Metaversum stellt eine digitale Alternative zur real existierenden, physischen Welt dar. Eine Welt, in der banale Alltagsdinge genauso erledigt werden können wie Sachen, die früher nur in den kühnsten Träumen möglich waren. Das ist zumindest die Vision der Metaverse-Verfechter. Der Begriff Metaversum steht für ein anderes, neues, digitales Universum, für eine virtuelle Parallel-Welt, in der sich Menschen frei mit zur Interaktion und Kommunikation fähigen Avataren bewegen  – auf der Suche nach Unterhaltung, Informationen, Produkten oder, wie es Facebook beschreibt, die „nächste Evolutionsstufe sozialer Verbindungen.“

Noch weiter geht Frank Steinicke, Professor für Human-Computer ­Interaction an der Universität Hamburg. Er versteht unter dem ­Metaverse einen virtuellen Raum, der konsistent und persistent ist. „Eine große, zusammenhängende Welt, die zwar aus mehreren Teilen bestehen mag, es aber erlaubt, diese Teile ohne Einschränkungen zu betreten und zwischen ihnen zu wechseln – eben konsistent ist. Diese Welt darf jedoch nicht nur Bestand haben, während die Nutzer:innen eingeloggt sind. Sie lebt fort, unabhängig davon, wer mit ihr interagiert – ist also persistent. „Die Idee des Metaverse ist, dass all die digitalen und webbasierten Anwendungen und Plattformen zusammenwachsen. Games, Handel, Social Media, virtuelle Realität.“

Die Merkmale des Metaverse

Eine sehr gute, weil deutlich präzisere Beschreibung der Merkmale des Metaverse stammt von Mathew Ball, einem kanadischen Visionär, Unternehmer und Risikokapitalgeber. Dessen 2020 veröffentlichtes Essay „The Metaverse: What It Is, Where to Find it, Who Will Build It.“ wurde Medienberichten zufolge selbst bei Meta zur Pflichtlektüre für die Angestellten. Ball definiert in seinem Essay sieben Kernattribute, die im Idealfall das Metaverse ausmachen. Drei davon sind für die Zukunft besonders relevant:

  1. Das Metaverse ist persistent

Das heißt: Es besteht fortwährend und dauerhaft. Das Metaverse kann nicht pausiert oder beendet oder neu gestartet werden. Es endet niemals.

  1. Das Metaverse ist synchron und live

Das heißt: Auch wenn Ereignisse und Aktivitäten im Metaverse im Voraus geplant und terminiert werden können (z. B. ein virtuelles Konzert, eine virtuelle Lesung oder ein gemeinsames virtuelles Spiel), wie eben Ereignisse und Aktivitäten im richtigen Leben auch, ist das Metaverse immer eine Echtzeit-Erfahrung. Das was im Metaverse passiert ist – in seiner Gesamtheit – nicht planbar oder vorhersehbar.

  1. Das Metaverse ist prinzipiell unendlich groß  

Das heißt: Das Metaverse ist, so wie unser sich permanent ausdehnendes Universum, unendlich groß. Dabei umfasst es private und öffentliche und offene und geschlossene Teile. Die Grenzen einer Teilwelt können jederzeit durch den Wechsel in eine andere Teilwelt überwunden werden.

Damit ist auch klar, dass das Metaversum, wie es sich seine Vorreiter vorstellen, noch weit davon entfernt ist, Realität zu werden. Denn eine der größten noch zu überwindenden Hürden besteht wohl darin, ein einheitliches System digitaler Avatare zu finden, das alle am Metaverse beteiligten Akteure als Standard-Erstellungstool akzeptieren. Das wäre eine weltweite Standardschnittstelle – das „phygital interfac“, wie Neal Stephenson in seinem Roman nennt.

Im zweiten Teil des Blogbeitrages rund um das Metaverse, schauen wir auf das Web 3.0  und warum viele Experten das Metaverse als die Zukunft des Internets verstehen.

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